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Kirchenrat fordert Ende des bewaffneten Konflikts | UN-Sonderberichterstatterin fordert Beendigung gerichtlicher Schickanierung von Menschenrechtsverteidiger*innen | Situation von Binnenflüchtlingen | Verfassungsgericht erklärt Omnibusgesetz für verfassungswidrig | Angriffe auf Journalisten nehmen zu | Dialog statt Gewalt? - Mehr Sicherheitsbeamte offen für gewaltfreie Lösungen | 194 Priester fordern Ende der Militäroperationen

West Papua Netzwerk
Liebe Freundinnen und Freunde des Westpapua-Netzwerks,
sehr geehrte Damen und Herren,
in Westpapua ging das Jahr 2021 ohne eine große Veränderung der angespannten Lage zu Ende. Zwar sprechen sich sowohl evangelische als auch katholische Vertreter der Kirchen, die UN und sogar einige hochrangige Sicherheitsbeamte für eine Ende der gewaltsamen Auseinandersetzungen aus, die Realität für Binnenflüchtlinge, Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen bleibt jedoch gefährlich.

Wir wünschen Ihnen einen guten Start in das neue Jahr und senden herzliche Grüße aus der Koordinationsstelle,

Barbara Hillebrand und Thea Hummel
 

In dieser E-Info finden Sie:

  • Kirchenrat von Westpapua fordert ein Ende des bewaffneten Konflikts
  • UN-Sonderberichterstatterin fordert Indonesien zur Beendigung der gerichtlichen Schikanen gegen Menschenrechtsverteidiger*innen auf
  • Update: Situation der Binnenflüchtlinge in Westpapua
  • Verfassungsgericht erklärt Omnibusgesetz für verfassungswidrig
  • Angriffe auf Journalisten in Westpapua nehmen zu - Medienaktivisten gründen Press Legal Aid Association in Jayapura
  • Dialog statt Gewalt? - Mehrere Polizei- und Militärbeamte offen für gewaltfreie Lösungen des bewaffneten Konflikts in Westpapua
  • Moralischer Aufruf von 194 katholischen Pastoren: Ende der Militäroperationen in Westpapua gefordert

Kirchenrat von Westpapua fordert ein Ende des bewaffneten Konflikts

Der Kirchenrat von Westpapua forderte am Mittwoch, den 8. Dezember 2021, zum wiederholten Mal Präsident Joko "Jokowi" Widodo auf, sein Versprechen zu erfüllen, ein friedliches Papua zu ermöglichen.

Der Kirchenrat berichtete, dass der bewaffnete Konflikt zwischen dem indonesischen Militär (TNI) und der Polizei und der Nationalen Befreiungsarmee Westpapuas (TPNPB) zu einer humanitären Krise in sechs Regionen geführt habe: Yahukimo, Bintang Mountains, Intan Jaya, Maybrat, Nduga und Puncak.

"Wir haben Berichte aus unserer Gemeinde erhalten, dass mindestens 60.000 Menschen in verschiedene Gebiete geflohen sind, darunter auch nach Papua-Neuguinea", sagte der Vorsitzende des Papua-Kirchenrates, Rev. Benny Giay, in einer schriftlichen Erklärung.  


UN-Sonderberichterstatterin fordert Indonesien zur Beendigung der gerichtlichen Schikanen gegen Menschenrechtsverteidiger*innen auf

Mary Lawlor (Irland), die UN-Sonderberichterstatterin für die Situation von Menschenrechtsverteidigern fordert die indonesische Regierung in einem offenen Schreiben dazu auf, "die Anwendung von Strafgesetzen zur Verfolgung von vier Menschenrechtsverteidigern, die sich gegen angebliche Korruption ausgesprochen haben, unverzüglich ein[zu]stellen".

"Ich bin äußerst besorgt über die Art und Weise, wie in Indonesien Verleumdungsgesetze eingesetzt werden, um das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung zu untergraben", sagte Lawlor. "Zivilgesellschaftliche Organisationen werden ins Visier genommen, weil sie eine wertvolle Rolle in der Gesellschaft spielen: Sie sollen sicherstellen, dass Regierungs- und Unternehmensprojekte auf transparente Weise und frei von Korruption, geheimen Absprachen und Vetternwirtschaft durchgeführt werden.



Update: Situation der Binnenflüchtlinge in Westpapua

Seit seiner Verschärfung im Dezember 2018 hat sich der bewaffnete Konflikt in Westpapua auf die sieben Bezirke Intan Jaya, Pegunungan Bintang, Mimika, Nduga, Maybrat, Yahukimo und Puncak ausgebreitet. Die Operationen der Sicherheitskräfte, die mit Menschenrechtsverletzungen einhergingen, haben in den letzten drei Jahren zu einer großen Zahl von Binnenvertreibungen geführt. Die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen schwankt zwischen 50.000 und 60.000 Binnenvertriebenen (Stand November 2021). Die Papuan People's Solidarity Rejecting State Violence (SORAKPATOK) dokumentierte eine Gesamtzahl von 13.687 neuen Vertriebenen allein zwischen Januar und November 2021.

Die Mehrheit der Binnenvertriebenen in Westpapua ist aufgrund der starken Präsenz der Sicherheitskräfte und der anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen in den Konfliktgebieten nicht in ihre Häuser zurückgekehrt. Sie leben weiterhin in provisorischen Unterkünften oder wohnen bei Verwandten in anderen Gebieten, die sie als sicher betrachten. Abgesehen von vereinzelten Initiativen für Hilfslieferungen ignoriert die Zentralregierung die Anwesenheit tausender Binnenvertriebener in Westpapua, während sie zusätzliche Truppen nach Westpapua entsendet  


Verfassungsgericht erklärt Omnibusgesetz für verfassungswidrig

In ihrem am 25. November 2021 verkündeten Urteil stellten die Richter des indonesischen Verfassungsgerichts fest, dass das Omnibusgesetz für die Schaffung von Arbeitsplätzen oder das Gesetz Nr. 11/2020 über die Schaffung von Arbeitsplätzen der Verfassung von 1945 widerspreche. Das Richtergremium hob das Gesetz nicht auf, sondern gab der Regierung und dem indonesischen Parlament zwei Jahre Zeit, das Gesetz zu ändern. Das Gesetz wird jedoch noch zwei Jahre in Kraft bleiben. Die Richter führten aus, dass die Regierung keine neuen Durchführungsbestimmungen für das Omnibusgesetz erlassen dürfe, solange das Gesetz nicht überarbeitet sei.

Menschenrechtsbeobachter werteten die Entscheidung als "rechtlichen Kompromiss", da die Richter das Gesetz nicht sofort aufhoben. Dieser Kompromiss spiegele sich auch in der Abstimmung der Richter über das Urteil wider. Vier der neun Richter vertraten die Auffassung, dass das Gesetz nicht im Widerspruch zur Verfassung stünde. Sie argumentierten, dass das Omnibusgesetz wirklich notwendig sei. Andernfalls müsste das Parlament 78 Gesetze in einem langwierigen Verfahren verabschieden.  

Angriffe auf Journalisten in Westpapua nehmen zu - Medienaktivisten gründen Press Legal Aid Association in Jayapura

Journalisten und Presseorganisationen in Jayapura haben die Press Legal Aid Association (PBH Pers) gegründet, um auf die steigende Zahl von Fällen von Einschüchterung, Behinderung und physischen Angriffen sowie Cyberangriffen gegen Journalisten in Westpapua zu reagieren. Die Indonesian Alliance of Independent Journalist (AJI Indonesia) dokumentierte insgesamt 114 Fälle von Gewalt gegen Journalisten in Westpapua in den letzten 20 Jahren. 90 dieser Fälle ereigneten sich Berichten zufolge allein zwischen Mai 2020 und Mai 2021. Zu den Übergriffen gehörten verbale Einschüchterungen, die Zerstörung von Arbeitsausrüstung und Berichterstattung sowie körperliche Gewalt.

Das Press Legal Aid Institute (LBH Pers) in Jakarta stellte fest, dass sich die Pressefreiheit in Indonesien seit 2019 deutlich verschlechtert habe. Dies zeige sich nicht nur an der hohen Zahl von Angriffen, sondern auch an der Zunahme von Fällen, in denen versucht werde, Journalisten mit Hilfe des indonesischen Gesetzes über elektronische Informationen und Transaktionen (UU ITE) und vager gesetzlicher Bestimmungen im indonesischen Strafgesetzbuch (KUHP) zu kriminalisieren. Nach Angaben des LBH Pers ist die Polizei mit 65% aller begangener Übergriffe gegen Journalist*innen nach wie vor der Hauptverursacher.



Dialog statt Gewalt? - Mehrere Polizei- und Militärbeamte offen für gewaltfreie Lösungen des bewaffneten Konflikts in Westpapua

Mehrere Polizei- und Militärbeamte haben kürzlich ihre Bereitschaft zu Verhandlungen mit der Nationalen Befreiungsarmee Westpapuas (TPNPB) erklärt. Am 8. November 2021 bestätigte das indonesische Parlament offiziell den Stabschef der Armee, Andika Perkasa, als neuen Oberbefehlshaber der indonesischen Streitkräfte. Ursprünglich wurde Andika Prakarsa von Präsident Joko Widodo selbst für den Posten vorgeschlagen. Prakarsa kündigte an, er wolle den Konfliktansatz des Militärs in den indonesischen Provinzen Papua und Papua Barat ändern und humanistischer gestalten. Er erklärte jedoch, dass die neue Strategie nicht vor Januar 2022 umgesetzt werden wird.

Während viele Menschenrechtsorganisationen und internationale Beobachter die Erklärung weiterhin kritisieren, steht Prakarsas Strategiewechsel im Einklang mit der wachsenden Forderung nach einer friedlichen Lösung des langjährigen Konflikts. Am 11. November veröffentlichten 194 katholische Priester in Westpapua eine öffentliche Erklärung, in der sie einen Waffenstillstand zwischen den indonesischen Sicherheitskräften und der TPNPB forderten. Außerdem forderten sie die internationale Gemeinschaft auf, eine nachhaltige Lösung des Konflikts mit friedlichen Mitteln zu unterstützen. Zuvor hatten 36 Priester aus der Diözese Timika bereits am 31. Oktober 2021 in Timika eine Erklärung und einen Aufruf zum Waffenstillstand veröffentlicht.  


Moralischer Aufruf von 194 katholischen Pastoren: Ende der Militäroperationen in Westpapua gefordert

194 katholische Pastoren aus ganz Westpapua haben ausdrücklich ein Ende der Militäroperationen in Westpapua gefordert. Die Pastoren hoffen, dass Dialog und Versöhnung die Lösung für den lang anhaltenden Konflikt in Westpapua sein werden.
Pastor Alberto John Bunai, sagte, dass die Regierung ekstatisch über den Erfolg der 20. Nationalen Spiele in Papua sei, aber das Volk sei zutiefst traurig über das, was die Gemeinden Gottes in Nduga, Intan Jaya, Puncak, Kiwirok und Maybrat erleiden müssten.
"Um das Problem an der Wurzel zu packen, bedarf es des Dialogs und Versöhnung in einer würdigen Art und Weise, um den Konflikt in Westpapua zu lösen", sagte Pastor Alberto John Bunai auf einer Pressekonferenz mit dem Titel "Moralischer Aufruf von 194 katholischen Pastoren" am Donnerstag, den 11. November in der Pfarrei Bright World of Christ in Waena, Jayapura Stadt, Papua.
 
 
 
Westpapua Journal



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WPN Briefing Paper: Deutsche Rüstungsexporte nach Indonesien

Hier finden Sie das aktuelle WPN Briefing Paper zu deutschen Rüstungsexporten nach Indonesien.



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